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Wie frei ist die Welt?

17 Jahre des demokratischen Niedergangs



Seit über einem Jahr verteidigen die Menschen in der Ukraine ihre Freiheit gegen den russischen Angriff. Im Sudan hat der Machtkampf zweier Generäle die Hoffnung auf einen demokratischen Wandel vorerst zunichte gemacht und in der Türkei steht nach der erneuten Wahl Erdoğans eine weitere Autokratisierung des Landes zu befürchten. Aber in den Schlagzeilen des Tages spiegelt sich immer nur ein Teil des Weltgeschehens. Wie ist es um Freiheit und Demokratie im Rest der Welt bestellt? Zwei neue Studien geben einen Überblick über das große Ganze.

In diesem Jahr veröffentlichte der in Washington ansässige Think Tank Freedom House die fünfzigste Ausgabe seines jährlichen Berichts zum globalen Stand der Freiheit. Das siebzehnte Jahr in Folge nahm die Freiheit weltweit ab. Doch möglicherweise haben wir einen Wendepunkt erreicht: die Kluft zwischen der Zahl der Länder, in denen sich die Situation verbesserte, und der Zahl der Länder, in denen sie sich verschlechterte, sei so klein wie noch nie in den vergangenen 17 Jahren. Zwei Länder verzeichneten in diesem Jahr eine Herabstufung ihres Freiheitsstatus: Peru verschlechterte sich von „frei“ auf „teilweise frei“ und Burkina Faso von „teilweise frei“ auf „nicht frei“. Zwei weitere Länder konnten sich hingegen nach erfolgreichen, kompetitiven Wahlen von „teilweise frei“ auf „frei“ verbessern: Lesotho und Kolumbien. Trotz der weiterhin schwierigen Lage der Demokratie in vielen Regionen der Welt, biete ein Blick zurück auf die Entwicklung der vergangenen fünfzig Jahre Hoffnung: In der ersten Ausgabe des Berichts von 1973 galten nur 44 von 148 Ländern als frei – heute steht diese Zahl bei 84 von 195.

Infografik zur Anzahl demokratisierender und autokratisierender Länder in den Jahren 2002 und 2022 Infografik zum Anteil der Weltbevölkerung in Autokratien und in autokratisierenden Ländern in den Jahren 2012 und 2022 Das schwedische V-Dem Institut zieht in der diesjährigen Ausgabe seines Demokratiereports ein düsteres Fazit: Weltweit betrachtet wurden die in den vergangenen 35 Jahren erzielten demokratischen Fortschritte zunichte gemacht. 72 Prozent der Weltbevölkerung lebten 2022 in einer Autokratie – zehn Jahre zuvor waren es nur 46 Prozent. Mit 44 Prozent wohnt eine relative Mehrheit aller Menschen in „Wahlautokratien“, zu denen bevölkerungsreiche Länder wie Indien, Nigeria, Pakistan, Russland, die Philippinen und die Türkei gehören. Unter den geschlossenen Autokratien mit insgesamt 28 Prozent der Weltbevölkerung, finden sich China, Iran, Myanmar und Vietnam. Demgegenüber stehen die liberalen Demokratien und „Wahldemokratien“, die einige Defizite aufweisen, mit nur 13 beziehungsweise 16 Prozent aller Menschen.

In nur noch 14 Ländern mit 2 Prozent der Weltbevölkerung verbessert sich die Situation der Demokratie – so wenige wie seit 50 Jahren nicht mehr. Demgegenüber stehen 42 Staaten mit 43 Prozent aller Menschen, die sich 2022 in Richtung Autokratie bewegten. Alle Regionen der Welt sind dabei von der Autokratisierung betroffen, auch wenn es eine Reihe von Demokratien gibt, die diesen Trend umkehren konnten. Diese Entwicklung hat auch eine wirtschaftliche Machtverschiebung in der Welt zur Folge: Auf Autokratien entfallen heute 46 Prozent des globalen BIP – 1992 waren es noch 24 Prozent. Dem Bericht des in Göteborg ansässigen Instituts liegt der “Liberal Democracy Index” (LDI) zugrunde, der anhand von Hunderten von Indikatoren den Demokratie-Status eines Landes berechnet. Die Spitzenplätze des LDI-Rankings belegen dabei die skandinavischen Länder Dänemark, Schweden und Norwegen, gefolgt von der Schweiz und Estland. Deutschland belegt den 12. Platz. Schlusslichter sind Nordkorea, Eritrea, Afghanistan, Tschad und Syrien.

Mehr dazu in der Freedom-House-Studie „Freedom in the World 2023. Marking 50 Years in the Struggle for Democracy“ und im Democracy Report 2023 des V-Dem Instituts, beide veröffentlicht im März 2023.

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Verpasste Chancen

Der Irak zwanzig Jahre nach der US-Invasion

Eine Person steht verloren auf einem Pfad, an dessen Anfang ein Wegweiser mit der Aufschrift Demokratie steht

Am 20. März 2003 verkündete US-Präsident George W. Bush den Beginn der militärischen Intervention im Irak. Anlässlich des 20. Jahrestags des folgenschweren Krieges hat der Londoner Think Tank Chatham House eine Sammlung von Essays veröffentlicht. Die Autorinnen und Autoren, die in den vergangenen zwei Jahrzehnten selbst im Irak gelebt und gearbeitet haben, berichten darin von ihren persönlichen Erfahrungen und untersuchen die komplexen Auswirkungen der Invasion. Was waren die wichtigsten Entscheidungen, die zur heutigen Situation geführt haben? Was hätte anders gemacht werden können? Wie lässt sich der Kurs des Landes korrigieren? Das sind einige der Fragen, anhand derer die Essays erkunden, was sich aus dem gescheiterten Aufbau einer funktionierenden Demokratie im Irak lernen lässt.

Mehr dazu in der Essaysammlung „Iraq 20 Years On: Insider Reflections on the War and Its Aftermath“, veröffentlicht am 20. März 2023.

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Rückenwind für die Demokratie

Wie lässt sich der autoritäre Trend umkehren?

Beginn gewaltfreier und gewalttätiger Massenproteste, nach Jahrzehnt (1900–2019)

  • 1900–1909
  • 1910–1919
  • 1920–1929
  • 1930–1939
  • 1940–1949
  • 1950–1959
  • 1960–1969
  • 1970–1979
  • 1980–1989
  • 1990–1999
  • 2000–2009
  • 2010–2019
  • 0
  • 10
  • 20
  • 30
  • 40
  • 50
  • 60
  • 70
  • 80
  • 90
  • 100


Quelle: Erica Chenoweth, “The Future of Nonviolent Resistance,” Journal of Democracy 31, no. 3 (2020), 71.

In den vergangenen 17 Jahren hat der Autoritarismus weltweit zugenommen, während die Demokratie in vielen Regionen bedroht ist. Autokratische Regime wie in China, Russland, Iran oder Venezuela sind repressiver geworden. Gleichzeitig haben autoritäre Entwicklungen viele Demokratien destabilisiert oder gar vollständig erodiert. Was lässt sich tun, um diesen Trend umzukehren? Zivile Widerstands- und Protestbewegungen gehören historisch gesehen zu den wichtigsten Triebkräften für die Demokratisierung autoritärer Regime und strauchelnder Demokratien. Das Atlantic Council und das International Center on Nonviolent Conflict haben in einer neue Studie Vorschläge für Ansätze und Instrumente zur Unterstützung prodemokratischer ziviler Widerstandsbewegungen entwickelt.

Nach einer enormen Ausweitung der Freiheit während der „dritten Welle“ der Demokratisierung von 1974-2006 befindet sich die Welt derzeit in einer Phase der Autokratisierung. Laut den Autoren der Washingtoner Think Tanks zeigt die Geschichte des letzten Jahrhunderts, dass Druck aus der Zivilgesellschaft von entscheidender Bedeutung ist, um dem Autoritarismus entgegenzuwirken und die Demokratie zu unterstützen. Trotz einer Zunahme gewaltloser Protestbewegungen in den vergangenen Jahrzehnten, seien diese jedoch seit 2010 deutlich weniger oft erfolgreich – auch da autoritäre Regime ihre Bemühungen verstärkt hätten, zivilen Widerstand zu unterdrücken, mittels neuer Technologien und gemeinsamer Koordination. Daher sei es im Interesse demokratischer Staaten ihrerseits pro-demokratische Kräfte in Zivilgesellschaften weltweit zu unterstützen. Dazu entwickeln die Autoren in ihrer Studie eine Strategie, die neben neuen Ansätzen zur Unterstützung von Widerstandsbewegungen und zum Umgang mit repressiven autoritären Regimen auch die Entwicklung eines neuen normativen Rahmens beinhaltet: des Rechts auf Unterstützung.

Mehr dazu in der Studie „Fostering a Fourth Democratic Wave: A Playbook for Countering the Authoritarian Threat“, veröffentlicht im März 2023.

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Verfolgt von den Taliban

Über die Lage von LGBTIQ-Personen und Frauen in Afghanistan

„Es gibt nicht nur eine einzige Gruppe von Taliban – sie sind überall und sie suchen nach Homosexuellen … und die Gangster suchen nach Ihnen, um sie zu misshandeln. Ich gebe mein Bestes, mich zu verstecken, aber das ist nicht immer einfach … Manchmal denke ich, ich bin schon tot. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ein Feuer in mir wütet, das mich von innen heraus verbrennt. Manchmal habe ich das Gefühl, dass ein Berg auf meinen Schultern lastet.“ Khandan,
18-jährige trans Frau
„Die Welt ist zu einer dunklen Höhle geworden, die alle meine Träume, meine Freude, meinen Frieden, meine Erfolge, meine Ausbildung und meine Arbeit verschlungen hat. Ich bin zu einer Gefangenen in meinem eigenen Haus geworden, um zu überleben … Ich bin völlig isoliert. Jeden Tag habe ich das Gefühl, dem Tod näher zu sein.“ Fatima,
26-jährige lesbische Frau
„Meine Verletzungen sind frisch und tief. Ich kann nicht gehen, stehen oder mich bewegen. Ich kann nicht schlafen, meine Tage und Nächte sind voller Dunkelheit, mit jeder Sekunde, mit jedem Atemzug, rieche ich den Tod … und Blut. Ich habe Schmerzen und sie bestrafen mich dafür, dass ich bin wie ich bin, dass ich existiere.“ Nasira,
25-jähriger trans Mann

Die Machtübernahme der Taliban im August 2021 hatte drastische Auswirkungen für alle Menschen in Afghanistan. Doch gilt das in ganz besonderem Maße für afghanische Frauen und Mädchen und für Minderheiten in dem Land am Hindukusch. Die militanten Islamisten haben Frauen und Mädchen nach und nach ihrer Rechte beraubt und sie weitgehend aus dem öffentlichen Leben verbannt. Angehörige sexueller und geschlechtlicher Minderheiten werden verfolgt und es droht ihnen Misshandlung und Tod. In einer Studie von Outright International kommen queere Afghaninnen und Afghanen zu Wort, die über die ausweglose Lage im Land berichten. Amnesty International hat in einer neuen Studie die Situation von Frauen und Mädchen untersucht und wirft darin dem Regime in Kabul Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor.

Im Januar 2022 veröffentlichten Outright International und Human Rights Watch einen ersten Bericht zur Situation von LGBTIQ-Personen in Afghanistan. Darin berichteten die interviewten Afghaninnen und Afghanen von Misshandlungen und Drohungen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung, Geschlechtsidentität oder ihres Geschlechtsausdrucks durch Mitglieder und Unterstützer der Taliban. In vielen Fällen gingen die ersten Drohungen jedoch zunächst von Familienmitgliedern, Nachbarn oder Partnern aus. Doch ein Jahr später zeigt die neue Studie von Outright International, dass sich die Situation verändert hat: Die Taliban scheinen LGBTIQ-Personen stärker ins Visier genommen zu haben. Sie sammeln Informationen und verfolgen Mitglieder und Aktivistinnen und Aktivisten der LGBTIQ-Gemeinschaft und setzen sie Gewalt und Demütigung aus. Basierend auf Interviews mit 22 betroffenen Menschen in Afghanistan, präsentiert die Studie eine Reihe von Fallstudien und analysiert die Lage im Land und die Reaktionen der internationalen Gemeinschaft.

In einem neuen Bericht fordern Amnesty International und die Internationale Juristenkommission (ICJ) die Beschneidung der Rechte von Frauen und Mädchen in Afghanistan als mögliches Völkerrechtsverbrechen zu untersuchen. In Verbindung mit Inhaftierung und Verschwindenlassen sowie Folter und anderen Misshandlungen erfüllten sie die Kriterien für geschlechtsspezifische Verfolgung und sollten daher als Verbrechen gegen die Menschlichkeit eingestuft werden, wie die Organisationen in ihrer Analyse darlegen. Der Bericht enthält zudem Empfehlungen an die internationale Gemeinschaft, um dem System der geschlechtsspezifischen Verfolgung der Taliban entgegenzuwirken.

Mehr dazu in der Studie „A Mountain on My Shoulders: 18 Months of Taliban Persecution of LGBTIQ Afghans“, veröffentlicht im Februar 2023, und im Bericht „The Taliban’s War on Women: The Crime Against Humanity of Gender Persecution in Afghanistan“, veröffentlicht im Mai 2023.

„In den ersten Tagen der Machtübernahme in Kabul schenkten die Taliban MSM [Männer, die Sex mit Männern haben] und der Transgender-Gemeinschaft keine große Aufmerksamkeit. Aber jetzt verfolgen sie uns aktiv und versuchen, uns zu fangen, zu foltern und zu inhaftieren.“ Pari,
48-jähriger schwuler Mann
„Meine Mutter tut ihr Bestes, um mich zu beschützen, aber die Gesellschaft, die Denkweise der Menschen – religiöse und traditionelle Auffassungen – über Intersexuelle sind so streng, dass meine Mutter mich nicht beschützen kann. Sie beschloss eine Ehe für mich zu arrangieren, aber das hat mir geschadet … und ich habe jetzt viel mehr zu leiden als vorher. Sogar mein Leben ist in Gefahr.“ Madina,
25-jährige intersexuelle Frau
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Pressefreiheit weltweit

Neue Entwicklungen in einer Zeit der Krisen

Weltkarte zur Lage der Pressefreiheit in unterschiedlichen Ländern
Weltkarte zur Lage der Pressefreiheit in unterschiedlichen Ländern

Pünktlich zum Internationalen Tag der Pressefreiheit am 3. Mai haben Reporter ohne Grenzen (RSF) ihren neuen Bericht zum Stand der weltweiten Pressefreiheit veröffentlicht. Darin zeichnet die Organisation ein düsteres Bild: Kriege und der zunehmende Autoritarismus seien für eine weltweite Lage verantwortlich, die so instabil ist wie seit langem nicht.

Unter den 180 untersuchten Ländern ist die Lage der Pressefreiheit laut Reporter ohne Grenzen in 52 „gut“ oder „zufriedenstellend“. Demgegenüber stehen 55 Staaten mit „erkennbaren Problemen“, 42 mit einer „schwierigen“ und 31 mit einer „sehr ernsten“ Lage. In etwa 70 Prozent aller Länder sind damit die Arbeitsbedingungen für Journalistinnen und Journalisten problematisch. Drei Länder sind dieses Jahr in die schlechteste Kategorie abgerutscht: Tadschikistan, Indien und die Türkei. Zu den größten Problemen für die Pressefreiheit gehören laut RSF eine schwierige Sicherheitslage – ob in Kriegsgebieten wie der Ukraine und dem Jemen oder durch die Gefahr der Inhaftierung wie in China, Myanmar und Iran – ebenso wie organisierte Desinformation durch politische Akteure.

Die obersten Plätze der RSF-Rangliste belegen dieses Jahr Norwegen, Irland, Dänemark, Schweden und Finnland. Deutschland ist im Vergleich zum Vorjahr um fünf Plätze auf Rang 21 abgerutscht. Grund dafür sei unter anderem eine wachsende Gewalt gegen Medienschaffende, die sich auf dem höchsten Stand seit 2015 befinde. 103 physische Angriffe wurden im vergangenen Jahr dokumentiert, davon 87 in verschwörungsideologischen, antisemitischen und extrem rechten Kontexten. Schlusslicht der Liste ist erneut Nordkorea, gefolgt von China, wo weltweit die meisten Journalistinnen und Journalisten inhaftiert sind, sowie Vietnam, Iran und Turkmenistan.

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Demokratie im Ausnahme­zustand

Wie der Kampf gegen Banden in Zentralamerika die Demokratie gefährdet

Eine Gruppe von Menschen hinter Gittern, darunter Bandenmitglieder und Jugendliche

Seit über einem Jahr regiert in El Salvador Präsident Nayib Bukele mit Sonderrechten. Begründet wird der Ausnahmezustand in dem mittelamerikanischen Land mit dem Kampf gegen kriminelle Banden. Tatsächlich hat die Region eine der höchsten Mordraten der Welt, die sich vor allem auf Bandengewalt zurückführen lässt. Doch kritische Stimmen werfen Bukele, der sich selbst einst als „coolsten Diktator der Welt“ bezeichnete, vor, Grundrechte zu missachten und das Land zu einer Autokratie umzugestalten. Laut des Demokratieindex des V-Dem Instituts gehört El Salvador zu den Ländern, in denen sich die Lage in den vergangenen Jahren am stärksten verschlechtert hat, und klassifiziert das Land seit 2022 als elektorale Autokratie. Eine Studie des Center for Strategic and International Studies bietet einen Überblick über die Antikriminalitätspolitik in El Salvador und seinen Nachbarländern und untersucht ihre Auswirkungen.

Bilder von überfüllten Gefängnissen sind zum Symbol für Bukeles Politik der „harten Hand“ geworden. Zehntausende wurden bereits verhaftet, oft reicht der bloße Verdacht oder die Anschuldigung, Bandenmitglied zu sein, aus, um hinter Gittern zu landen. Dabei werde die Verhaftung Unschuldiger genauso wie Misshandlungen und der Tod der Insassen in Kauf genommen, wie die Autoren des Washingtoner Think Tanks darlegen. Doch trotz seiner autoritären Politik genießt der Präsident die Unterstützung einer breiten Mehrheit der Bevölkerung. Dies sei vor allem darauf zurückzuführen, dass sich das subjektive Sicherheitsempfinden vieler Bürger aufgrund eines Rückgangs von Erpressung und Straßengewalt verbessert habe. Doch ohne eine nachhaltige Strategie, die nicht nur Inhaftierung, sondern Rehabilitation und wirtschaftliche Wiederbelebung umfasst, sei zu befürchten, dass die Spirale der Bandengewalt nur weiter angeheizt werde, während die Demokratie weiter ausgehöhlt werde, schreiben die Experten. Daher sei es umso problematischer, dass Honduras und andere Länder der Region begonnen haben, ähnliche Strategien im Umgang mit der Bandenkriminalität zu verfolgen.

Mehr dazu in der Studie „Democracy Dies Under Mano Dura: Anti-Crime Strategies in the Northern Triangle“, veröffentlicht am 12. April 2023.

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Widerstand in Myanmar

Wie die junge Generation für eine demokratische Zukunft kämpft

Eine Gruppe junger Menschen, die einen Panzer auseinandernehmen

Der Militärputsch in Myanmar setzte den Hoffnungen auf eine demokratische Entwicklung des Landes am 1. Februar 2021 ein jähes Ende. Die demokratisch gewählte Regierungschefin Aung San Suu Kyi wurde zu mehr als 30 Jahren Haft verurteilt und in vielen Städten und Regionen kam es zu Massenprotesten. Das brutale Vorgehen der Militärjunta gegen die „Frühlingsrevolution“ führte dazu, dass sich Tausende dem bewaffneten Widerstand anschlossen. Seitdem führt das Regime einen blutigen Kampf gegen die Opposition und hat dennoch die Kontrolle über weite Teile des Landes verloren. In mehreren Studien untersucht die International Crisis Group die Entwicklungen in Myanmars Zivilgesellschaft seit dem Coup vor zwei Jahren.

In ihrer Studie „Breaking Gender and Age Barries amid Myanmar’s Spring Revolution“ nimmt der in Brüssel ansässige Think Tank die Rolle in den Blick, die junge Menschen und insbesondere junge Frauen im Widerstand gegen Myanmars Militärregime spielen. Mit der Ausnahme von Aung San Suu Kyi sei die Politik des Landes bisher von Männern älterer Generationen dominiert worden und die politischen Prioritäten seien zu Ungunsten von Frauen und jungen Menschen verzerrt gewesen. Die Tatsache, dass die junge Generation und Frauen eine wichtige Rolle Myanmars Frühlingsrevolution spielen und so traditionelle Normen infrage stellen, könne langfristig zu einem Wandel in Politik und Gesellschaft des Landes auch außerhalb des Widerstandes führen.

Die Studie „A Silent Sangha? Buddhist Monks in Post-Coup Myanmar“ wirft einen Blick auf die Rolle buddhistischer Mönche und Nonnen. Im Gegensatz zu früheren politischen Krisen hätten sie sich seit dem Staatsstreich weitgehend zurückgehalten, da die Mönchsgemeinschaften gespalten sind und der Widerstand eine säkulare Agenda verfolgt, die auch gewaltsame Aktionen einschließt, laut der International Crisis Group. Die Abwesenheit der Sangha habe es der jungen Generation ermöglicht, eine Führungsrolle im Widerstand gegen das Militärregime zu übernehmen – eine ermutigende Entwicklung für die Zivilgesellschaft, die aber auch eine Gegenreaktion hervorrufen könnte.

Schließlich untersucht die Studie „A Road to Nowhere: The Myanmar Regime’s Stage-Managed Elections“ die von der Militärjunta angekündigten Wahlen und die möglichen Entwicklungen, die sie zur Folge haben könnten. So sei es wahrscheinlich, dass die Wahlen zu einer Eskalation der Gewalt führen werden und vom Regime als Vorwand benutzt werden, um den Kampf gegen die Aufständischen zu verschärfen.

Mehr dazu in den Studien „Breaking Gender and Age Barriers amid Myanmar’s Spring Revolution“, „A Silent Sangha? Buddhist Monks in Post-Coup Myanmar“ und „A Road to Nowhere: The Myanmar Regime’s Stage-Managed Elections“, veröffentlicht im Februar und März 2023.

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Kommentare

 

Blühender Löwenzahn

An dieser Ausgabe mitgearbeitet haben:

Team KALUZA + SCHMID Studio, Bogdan Miftakhov, Johannes Sudau, Kristin Wesemann, Chrystyna Rey

Quellen

(1) Freedom in the World 2023. Marking 50 Years in the Struggle for Democracy. Freedom House, März 2023.
Democracy Report 2023. Defiance in the Face of Autocratization. V-Dem Institute, März 2023.

(2) Iraq 20 Years On: Insider Reflections on the War and Its Aftermath. Chatham House, März 2023.

(3) Merriman, Hardy, Patrick Quirk und Ash Jain. Fostering a Fourth Democratic Wave: A Playbook for Countering the Authoritarian Threat. Atlantic Council & International Center on Nonviolent Conflict, März 2023.

(4) A Mountain on My Shoulders: 18 Months of Taliban Persecution of LGBTIQ Afghans. Outright International, Februar 2023.
The Taliban’s War on Women. The Crime Against Humanity of Gender Persecution in Afghanistan. Amnesty International & International Commission of Jurists, Mai 2023.

(5) 2023 World Press Freedom Index. Reporters Without Borders, Mai 2023.

(6) Hernandez-Roy, Christopher und Rubi Bledsoe. Democracy Dies Under Mano Dura: Anti-Crime Strategies in the Northern Triangle. Center for Strategic & International Studies, April 2023.

(7) Breaking Gender and Age Barriers amid Myanmar’s Spring Revolution. International Crisis Group, Februar 2023.
A Silent Sangha? Buddhist Monks in Post-coup Myanmar. International Crisis Group, März 2023.
A Road to Nowhere: The Myanmar Regime’s Stage-managed Elections. International Crisis Group, März 2023.