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Rohstoffe der Zukunft

Infografik zu bereitgestellten Finanzmitteln zur Abfederung der Energiekrise von September 2021 bis Oktober 2022

Um Öl, Gas und Kohle als Energiequellen abzulösen, reichen Sonne, Luft und Wasser allein nicht aus. Denn eine Vielzahl von teils seltenen Metallen und Mineralien wird für die Gewinnung erneuerbarer Energie und deren Speicherung benötigt. Windräder, Photovoltaikanlagen, Batterien und Elektroautos erfordern große Mengen vor allem von Kobalt, Kupfer, Lithium und Nickel. Dabei sind die Vorkommen der für die Energiewende kritischen Rohstoffe begrenzt und global ungleich verteilt. Die Kontrolle über ihre Förderung und Weiterverarbeitung wird daher die Geopolitik des postfossilen Zeitalters zentral bestimmen. Zwei neue Studien der Brookings Institution werfen einen Blick auf zwei Regionen, denen dabei eine wichtige Rolle zukommt – China und Lateinamerika.

Die Internationale Energieagentur IEA schätzt, dass sich die Nachfrage nach kritischen Mineralien bis 2040 vervierfachen wird. Den weltweiten Bedarf zu befriedigen ist daher eine der großen Herausforderungen der Energiewende – insbesondere wenn dies auf ökologisch, sozial und politisch nachhaltige Weise geschehen soll.

China ist weltweit führend bei der Aufarbeitung von Metallen, die für die Energiewende essenziell sind. Auch bei der Weiterverarbeitung der Rohmaterialien, etwa zu Batteriekomponenten und Elektroautobatterien, hat es eine dominante Position inne. In der Studie „China’s Role in Supplying Critical Minerals for the Global Energy Transition“ analysieren Experten der Brookings Institution, wie sich die strategische Position des Landes in Zukunft entwickeln könnte. Zwei Faktoren seien dabei von entscheidender Bedeutung: Einerseits, in welchem Ausmaß China die globalen Lieferketten kritischer Mineralien dominieren wird und so eine Gefahr für die Versorgungssicherheit anderer Staaten darstellen könnte; und andererseits, in welchem Ausmaß China die relevanten Industriesektoren nach nachhaltigen Kriterien regulieren wird, um negative Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft zu minimieren.

Die Energiewende ist eine besondere Chance für Regionen mit kritischen Rohstoffen. Die zweite Brookings-Studie nimmt eine dieser Regionen in den Blick: Lateinamerika. Allein in Chile, Peru und Mexiko befinden sich etwa 40 Prozent der weltweiten Kupfervorkommen. Zudem liegen etwa zwei Drittel der globalen Lithiumvorkommen in Lateinamerika, insbesondere in Bolivien, Argentinien und Chile. Auch Nickel findet sich in der Region: Brasilien besitzt 17 Prozent der weltweiten Vorkommen. Die Experten des Washingtoner Think Tanks beschreiben in ihrer Studie drei Konfliktfelder im Bergbausektor, auf die die Rohstoffpolitik der Region Antworten finden muss: die Auswirkungen auf die Umwelt, der Einbezug der örtlichen Bevölkerung und die Verteilung der wirtschaftlichen Erträge. Anhand von vier möglichen Szenarien untersuchen die Autoren, wie sich der Bergbausektor in Lateinamerika in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren entwickeln könnte.

Mehr dazu in den beiden Studien „China’s Role in Supplying Critical Minerals for the Global Energy Transition“ und „The Future of Mining in Latin America: Critical Minerals and the Global Energy Transition“, veröffentlicht im Juli und August 2022.

Einen detaillierten Einblick in die Rolle kritischer Mineralien in der Energiewende, einschließlich geopolitischer Aspekte, bietet außerdem der Bericht „The Role of Critical Minerals in Clean Energy Transitions“ der Internationalen Energieagentur aus dem vorherigen Jahr.

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Das Spannen der Schutzschirme

Europäische Antworten auf die Energiekrise

Gaspreisbremse, Schutzschirme, „Doppelwumms“ – europäische Regierungen überschlagen sich derzeit mit Ideen, um die Folgen der Energiepreiskrise für Haushalte und Unternehmen abzufedern. Um den Überblick im Dschungel der Entlastungspakete nicht zu verlieren, hat der Brüsseler Think Tank Bruegel eine Übersicht über Umfang und Art der bis September 2021 beschlossenen nationalen Maßnahmen in unterschiedlichen europäischen Ländern zusammengestellt.

Infografik zu bereitgestellten Finanzmitteln zur Abfederung der Energiekrise von September 2021 bis Oktober 2022
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Fliegen ohne schlechtes Gewissen

Auf dem Weg zur klimaneutralen Luftfahrt

Person auf einem fliegenden Fahrrad

Vor der Corona-Pandemie war die Luftfahrt für eine Gigatonne der weltweiten CO2-Emissionen verantwortlich – und damit für 12 Prozent der Emissionen des Transportsektors und etwa drei Prozent der globalen Treibhausgase. Das ist ein Anstieg von mehr als einem Drittel zwischen 2010 und 2019. Wenn keine Anstrengungen unternommen werden, die Emissionen zu senken, könnte der Anteil des Luftverkehrs an den weltweiten Emissionen 2050 gar bis zu 22 Prozent betragen. Die Energiewende stellt den Sektor jedoch vor eine besondere Herausforderung. Langstreckenflüge, auf die zwei Drittel der Emissionen entfallen, sind auf energiereiche Flüssigkraftstoffe angewiesen. Anders als etwa im Falle von PKWs kann die Elektrifizierung daher nur zu einem kleinen Teil zur Lösung beitragen. Eine neue, von der Luftfahrtindustrie unterstützte Studie des Mission Possible Partnerships und der Clean Skies for Tomorrow Coalition entwirft konkrete Szenarien, die zeigen, wie die Luftfahrt bis 2050 dennoch klimaneutral werden kann.

Die Autoren der Studie sehen vor allem im Einsatz sogenannter SAFs („Sustainable Aviation Fuels“) und Effizienzsteigerungen Chancen zur Dekarbonisierung der Flugbranche. So könne durch den effizienteren Einsatz von Kraftstoff der Ausstoß Treibhausgasen bis 2050 um 40-45 Prozent gesenkt werden. Der Beitrag von SAFs liege bei 20-35 Prozent für Biokraftstoffe und bei 15-25 Prozent für sogenannte „Power-to-Liquid“-Kraftstoffe, die aus erneuerbarer Energie und CO2 hergestellt werden. Wasserstoff- und E-Flugzeuge könnten die globale Luftfahrt ab den späten 30er Jahren effizienter machen und 2050 bis zu einem Drittel des Endenergiebedarfs abdecken. Aufgrund ihrer geringen Reichweite werden sie aber nur zu etwa zwei Prozent zur Emissionsreduktion der Branche beitragen können.

Für die Energiewende am Himmel sei ein großer Kraftakt notwendig. So müssten zwischen 2022 und 2050 jährlich im Mittel 175 Milliarden Dollar investiert werden und bis 2030 fünf bis sechsmal so viele SAF-Projekte wie bisher geplant umgesetzt werden. Je schneller die Preise für erneuerbare Energie fallen desto größer werde die Rolle von PtL-Kraftstoffen sein. In jedem Fall aber wird die Dekarbonisierung der Luftfahrt große Auswirkung auf die globalen Energiemärkte haben, insbesondere für die Nachfrage nach nachhaltiger Biomasse, aber auch nach erneuerbarer Energie und grünem Wasserstoff. Eine drastische Steigerung der Produktionskapazitäten sei daher unerlässlich, ebenso wie eine Priorisierung der Verwendung von Biomasse in der Luftfahrt gegenüber Branchen, für die alternative grüne Technologien zur Verfügung stehen, wie etwa im Kraftverkehr und in der Schifffahrt.

Mehr dazu in der Studie „Making Net-Zero Aviation Possible: An Industry-Backed, 1.5°C-Aligned Transition Strategy“, veröffentlicht im Juli 2022.

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Mission Impossible?

Wie die EU ihr Klimaziel bis 2030 erreichen kann

Infografik zur Stromerzeugung nach Energiequellen in EU-Ländern und im Vereinigten Königreich im Jahr 2021

Im September dieses Jahres stellte sich das EU-Parlament hinter das Ziel der EU-Kommission, den Anteil der erneuerbaren Energien am Endenergieverbrauch bis 2030 auf 45 Prozent zu erhöhen. Es scheint fast unmöglich, diese äußerst ehrgeizige Zielsetzung innerhalb von nur acht Jahren Wirklichkeit werden zu lassen. Doch angesichts der drängenden Probleme der Klimakrise und Energiesicherheit, sollten alles versucht werden, um die europäische Energiewende voranzutreiben. Eine neue Studie des Pariser Think Tanks Institut français des relations internationales zeigt auf, wie die EU ihr Klimaziel erreichen kann und wirft dabei insbesondere einen Blick auf die Rolle der großen Energiekonzerne.

Um ihr Ziel bis 2030 zu erreichen, müsse die EU ihre Produktionskapazitäten für Wind- und Solarenergie um 600 Gigawatt erhöhen und damit fast verdreifachen – eine enorme Herausforderung angesichts des derzeitigen Ausbautempos, so die französischen Experten. In den vergangenen Jahren seien die führenden Energiefirmen in den meisten Ländern Europas keine wichtigen Investitionstreiber im Bereich der erneuerbaren Energien gewesen. Doch inzwischen hätten sie einen Ausbau der Erneuerbaren von insgesamt 850 GW weltweit bis 2030 angekündigt – und könnten so auch in Europa einen wichtigen Beitrag leisten. Die Studie analysiert und vergleicht die Rolle der 20 größten Energiekonzerne der EU im Bereich der erneuerbaren Energien, untersucht aktuelle Marktrends und zeigt auf, wie die Politik die Klimaziele erreichen kann.

Mehr dazu in der Studie „The EU’s Renewables Expansion Challenge Towards 2030: Mobilizing for a Mission Almost Impossible“, veröffentlicht im Mai 2022.

Infografik zum Ausbau erneuerbarer Energien in der EU bis 2030
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Grünes Militär

Warum sich Streitmächte von fossilen Brennstoffen verabschieden sollten

Soldat mit Solarmodul auf dem Helm und Ausrüstung aus Pflanzen

Das Militär war im Laufe der Geschichte häufig führend bei der Entwicklung und dem Einsatz neuer Technologien. Doch im Fall der Energiewende scheint dies anders zu sein. So wird der Militärsektor häufig gar nicht erst erwähnt, wenn es um die Senkung von CO2-Emissionen geht, obwohl seine CO2-Bilanz alles andere als gut aussieht. Wären die US-Streitkräfte eine Nation, hätten sie etwa die höchsten Pro-Kopf-Emissionen der Welt, laut einer jüngst in Nature erschienenen Analyse. Es sind vor allem Sicherheitsbedenken, die das Zögern von Regierungen, ihr Militär zu dekarbonisieren, erklären. Eine neue Studie des International Military Council on Climate and Security (IMCCS) zeigt, warum Sicherheit und Klimaschutz nicht im Widerspruch stehen müssen und wie der Weg zu einem klimaneutralen Militär aussehen kann.

Es ist eine alte Wahrheit, dass die militärische Logistik eine der zentralen Schwachstellen ist, die im Falle eines Konflikts Ziel gegnerischer Angriffe ist – wie wir derzeit in der Ukraine beobachten können. So ist die Angreifbarkeit der Energieversorgung auch eines der drei Kernprobleme der derzeitigen Abhängigkeit der Armeen von fossilen Brennstoffen, die die Expertengruppe des IMCCS in ihrer Studie nennt. Die anderen beiden Punkte seien die Abhängigkeit von Kraftstoffimporten, die in die Hände von autoritären Regimes wie Putins spielt, und natürlich die Auswirkungen auf die Erderwärmung, mitsamt ihrer sicherheitspolitischen Konsequenzen.

Bislang veröffentlichten die Regierungen nur zögerlich Emissionsdaten ihrer Militärsektoren, um keine sicherheitsrelevanten Informationen preiszugeben, und die Verpflichtung auf Klimaziele sei in dem Bereich weiterhin keine Selbstverständlichkeit. In den Augen des Forscherteams vom niederländischen Clingendael Institut, dem französischen Institut für Internationale und Strategische Beziehungen (IRIS) und dem European Leadership Network (ELN) sollten NATO und die EU ihre Bemühungen um ein klimaneutrales Militär verstärken, um so gleich drei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen: operative Schwachstellen zu minimieren, Petro-Dikatoren wie Putin zu unterminieren und den Klimawandel zu bekämpfen.

Die Studie analysiert, warum die Dekarbonisierung des Militärsektors ein so sensibles Thema ist, wie eine Methodik zur Emissionserfassung aussehen könnte, wo die größten technologischen Herausforderungen liegen und wie die derzeitige Strategie von NATO und EU und ihre zukünftigen Handlungsoptionen aussehen.

Mehr dazu in „Decarbonized Defense. The Need for Clean Military Power in the Age of Climate Change“ vom 7. Juni 2022. Siehe auch den Kommentar „Decarbonize the military – mandate emissions reporting“, veröffentlicht im November 2022 in Nature.

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Emissionsfrei bis 2050

Der 27. UN-Klimagipfel in Ägypten rückt die Diskrepanz zwischen den gemeinsam beschlossenen Klimazielen und den bisher umgesetzten Maßnahmen der teilnehmenden Staaten in den Fokus der internationalen Öffentlichkeit. Grund genug, um erneut einen Blick zu werfen auf den im Vorfeld der letzten Klimakonferenz veröffentlichten umfangreichen Bericht „Net Zero by 2050“ der Internationalen Energieagentur (IEA). Die Organisation zeigt dort, welche konkreten Schritte nötig sind, um das sehr ambitionierte, aber noch erreichbare Ziel der globalen Klimaneutralität bis zum Jahr 2050 zu erreichen. Wie wir alle wissen, hat sich die Situation der globalen Energiemärkte seit dem letzten Jahr drastisch verändert. In ihrem neuen Bericht „World Energy Outlook 2022“ untersucht die IEA die Auswirkungen der von Russlands Angriffskrieg ausgelösten globalen Energiekrise und liefert ein Update für ihren Net-Zero-Fahrplan.

Der Fahrplan der IEA sieht mehr als 400 Meilensteile auf dem Weg zu Treibhausgasneutralität vor. Dazu gehören etwa ein sofortiger Investitionsstopp für neue Projekte zur Versorgung mit fossilen Brennstoffen, ein Verkaufsstopp für PKWs mit Verbrennungsmotoren ab 2035 und ein klimaneutraler Stromsektor im Jahr 2040. Das Szenario sieht außerdem eine Vervierfachung des jährlichen Ausbaus von Solarenergie und Windkraft im Vergleich zu 2020 vor und eine jährliche Verbesserung der Energieeffizienz um vier Prozent bis 2030, etwa dreimal so viel wie im Mittel der letzten zwei Jahrzehnte.

Die Herausforderungen für eine zügige Umsetzung der Energiewende sind enorm. Doch der Bericht betont zugleich die wirtschaftlichen Chancen, die eine solche Transformation ermöglicht, und das nicht nur für wohlhabende Staaten. 785 Millionen Menschen könnten erstmals Zugang zu Elektrizität haben und 2,6 Milliarden Zugang zu sauberen Kochmöglichkeiten. In der Vision der IEA sieht die Energieversorgung der Welt 2050 völlig anders aus als heute: Der weltweite Energiebedarf ist acht Prozent geringer, aber versorgt eine mehr als doppelt so große Wirtschaft und eine um zwei Milliarden gewachsene Bevölkerung. 90 Prozent des Stroms stammt aus erneuerbaren Quellen, davon ganze 70 Prozent von Sonne und Wind. Der Anteil fossile Brennstoffe an der Gesamtenergieversorgung hingegen sinkt von heut fast vier Fünfteln auf etwas mehr als ein Fünftel.

Mehr Details und eine interaktive Darstellung der Ergebnisse findet sich auf der Website des Berichts „Net Zero by 2050. A Roadmap for the Global Energy Sector“, veröffentlicht am 18. Mai 2021.

Der „World Energy Outlook 2022“, veröffentlicht im Oktober 2022, wirft einen Blick auf die aktuelle Situation und bringt den Net-Zero-Fahrplan auf den neusten Stand.

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Die Geopolitik des Wasserstoffs

Weltkarte, die zeigt, welche Regionen das größte Potential haben, günstigen grünen Wasserstoff bis 2050 produzieren

Wasserstoff ist eine der tragenden Säulen globalen Energiewende. Um das Pariser Klimaziel zu erreichen und die Erderwärmung auf 1,5 °C zu begrenzen, müssen alle Wirtschaftsbereiche ihre Emissionen stark reduzieren. Das gilt auch für Branchen, die schwer zu elektrifizieren sind und bisher auf fossile Brennstoffe angewiesen sind, wie die Stahl- und Chemieindustrie oder der Schiffs-, Luft- und Schwerlastverkehr. Gerade hier eröffnet grüner Wasserstoff neue Möglichkeiten zur Dekarbonisierung. In einer umfangreichen Studie analysiert die Internationale Organisation für erneuerbare Energien (IRENA) die Rolle des Wasserstoffs in der Energiewende und die geopolitischen Konsequenzen, die der Aufstieg des Energieträgers nach sich ziehen wird.

Lange Zeit stand Wasserstoff im Schatten von Solarenergie und Windkraft, doch in den letzten Jahren hat das Thema stark an Fahrt aufgenommen. Immer mehr Länder besitzen und planen nationale Wasserstoffstrategien. Laut IRENA könnte Wasserstoff im Jahr 2050 bis zu 12 Prozent des Endenergieverbrauchs ausmachen. Ein Drittel der Produktionsmenge werde dabei auf internationalen Märkten gehandelt werden und jeweils zur Hälfte über Pipelines transportiert und in Form von Folgeprodukten wie Ammoniak verschifft werden.

Länder, die erneuerbare Energie zu geringen Kosten produzieren und so günstigen grünen Wasserstoff herstellen können, könnten zu Energieexporteuren und Zentren einer grünen Industrialisierung werden. Darunter seien auch Länder wie Chile, Marokko und Namibia, die bisher auf Energieimporte angewiesen sind. Für Exporteure fossiler Brennstoffe, die vor der Herausforderung stehen, ihre Energiewirtschaft umzugestalten, biete Wasserstoff eine Chance zur Diversifizierung. Derweil werde Wasserstoff für Staaten wie Deutschland und Japan, die zu den Wasserstoffimporteuren zählen werden, zu einem immer wichtigeren Bestandteil ihrer Klimadiplomatie.

Laut der Studie werde die Geopolitik des Wasserstoffs verschiedene Stadien durchlaufen: Die 2020er könnten Schauplatz eines Wettrennens um die technologische Führerschaft sein, während die Kosten für Infrastruktur und Produktion stetig sinken. Die Nachfrage werde aber erst voraussichtlich Mitte der 30er in Reaktion auf sinkende Preise signifikant ansteigen. Dann werde auch der internationale Wasserstoffhandel immer wichtiger, nachdem zuvor bereits erste Handelsrouten etabliert wurden. Insgesamt erwartet IRENA eine stärkere Regionalisierung der Energielieferketten und eine größere Dezentralisierung der Produktion in der Ära des Wasserstoffs.

Mehr dazu in der Studie „Geopolitics of the Energy Transformation: The Hydrogen Factor“, veröffentlicht im Januar 2022.

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Erneuerbare Energien 2021

Ein Überblick über den weltweiten Stand

  •  3/4 Anteil der energiebedingten Emissionen an weltweiten CO2-Emissionen
  • 12,6% Anteil erneuerbarer Energien am gesamten Endenergieverbrauch im Jahr 2020 (knapp 4 % mehr als im Jahr 2009)
  • 28,3% Anteil von Strom aus erneuerbaren Energien (ein Anstieg um fast 8 % in den vergangenen zehn Jahren)
  • 135 Länder und Erzeuger von 88 % der globalen Emissionen haben sich das Ziel gesetzt, klimaneutral zu werden
  •  6% Anstieg der CO2-Emissionen im Jahr 2021
  •  19% Anstieg der Endenergiebedarfs zwischen 2009 und 2019
  • 366 Milliarden US-Dollar wurden 2021 in erneuerbare Energien investiert
  • 5,9 Billionen US-Dollar Summe der Subventionen für fossile Brennstoffe im Jahr 2020
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Strom ohne CO2

Angesichts der immer deutlicheren Auswirkungen der Klimakrise und der aktuellen fossilen Energiepreiskrise ist klar, dass die Energiewende so schnell wie möglich vorangetrieben muss. Der Umstieg auf erneuerbare Energien ist nicht nur notwendig, um die Erderwärmung zu begrenzen, sondern auch unerlässlich für die Versorgungssicherheit Deutschlands. Ein zügiger Umbau der Energieversorgung des Landes ist jedoch mit großen Herausforderungen verbunden. In einer neuen Studie analysiert Agora Energiewende, was nötig ist, damit die Energiewende im deutschen Stromsektor bis 2035 gelingen kann.

Der Berliner Think Tanks zeigt in seiner Studie, wie sich der Anteil erneuerbaren Stroms am Stromverbrauch bis 2030 auf 80 Prozent steigern lässt – ein wichtiges Zwischenziel auf dem Weg zu einem klimaneutralen Stromsystem im Jahr 2035. Für dieses Szenario müsse sich die Menge der heutigen erneuerbaren Stromerzeugung bis 2030 mehr als verdoppeln und bis 2035 mehr als verdreifachen. Damit das gelingen kann, sei ein massiver Zubau von Wind- und Solarenergie nötig. So müsse zwischen 2026 und 2035 der jährliche Zubau von Photovoltaik im Vergleich zu 2021 vervierfacht und der von Windkraft an Land gar versechsfacht werden.

Im Jahr 2035 könnten dann Onshore-Windenergieanlagen mit 40 Prozent am stärksten zur erneuerbaren Nettostromerzeugung beitragen, gefolgt von Solarenergie mit einem Drittel und Offshore-Windenergie mit einem Viertel. Gaskraftwerke seien in den 2030er Jahren weiterhin nötig, um Schwankungen im Stromnetz auszugleichen. Jedoch werde Erdgas zunehmend durch Wasserstoff ersetzt, sodass der Anteil von Erdgas am Strommix im Jahr 2035 nur noch zwei Prozent betrage.

Für das nötige Ausbautempo bei Windkraft-, Solaranlagen und Strom- und Wasserstoffnetzen sei seitens der Politik eine stärkere Priorisierung und eine konsequente Beschleunigung der Planung- und Genehmigungsverfahren nötig. Wichtig sei es zudem, günstige Investitionsbedingungen zu schaffen sowie regelbare Kraftwerke zu bauen, die bereit für den Betrieb mit grünem Wasserstoff sind. Auch müssten Maßnahmen ergriffen werden, die eine flexible Netznutzung ermöglichen, wie etwa eine Reform der Netzentgeltstruktur.

Die detaillierte Analyse mit Empfehlungen an die Politik findet sich in der Studie „Klimaneutrales Stromsystem 2035. Wie der deutsche Stromsektor bis zum Jahr 2035 klimaneutral werden kann“, veröffentlicht im Juni 2022.

An dieser Ausgabe mitgearbeitet haben:

Team KALUZA + SCHMID Studio, Bogdan Miftakhov, Johannes Sudau, Kristin Wesemann, Chrystyna Rey

Quellenangaben

(1) Castillo, Rodrigo und Caitlin Purdy. China’s role in supplying critical minerals for the global energy transition: What could the future hold? Brookings Institution, August 2022.
Castillo, Rodrigo und Caitlin Purdy. The future of mining in Latin America: Critical minerals and the global energy transition. Brookings Institution, Juli 2022
The Role of Critical Minerals in Clean Energy Transitions. International Energy Agency, Mai 2021.

(2) Sgravatti, Giovanni, Simone Tagliapietra und Georg Zachmann, National policies to shield consumers from rising energy prices. Bruegel Datasets, zuerst veröffentlicht am 4. November 2021.

(3) Majkut, Joseph. „Opportunities and Challenges for Renewable Energy Generation in Ukraine”. CSIS, 26. September 2022.
Bradshaw, Mike. „Putin's gas warfare might galvanize Europe“, The World Today Oktober/November 2022. Chatham House.

(4) Making Net-Zero Aviation Possible: An Industry-Backed, 1.5°C-Aligned Transition Strategy, Mission Possible Partnership, Juli 2022.

(5) Eyl-Mazzega, Antoine, Carole Mathieu und Ignacio Urbansos. „The EU’s Renewables Expansion Challenge Towards 2030: Mobilizing for a Mission Almost Impossible”, Notes de l’Ifri. IFRI, Mai 2022.

(6) van Schaik, Louise, Pierre Laboué, Katarina Kertysova, Akash Ramnath und Douwe van der Meer. The World Climate and Security Report 2022: Decarbonized Defense – The Need for Clean Military Power in the Age of Climate Change. International Military Council on Climate and Security, Juni 2022.
Rajaeifar et al. „Decarbonize the military — mandate emissions reporting“, Nature 611 (2022), 29-32.

(7) Net Zero by 2050. A Roadmap for the Global Energy Sector. International Energy Agency, Mai 2021.
World Energy Outlook 2022. International Energy Agency, Oktober 2022.

(8) Geopolitics of the Energy Transformation: The Hydrogen Factor. International Renewable Energy Agency, 2022.

(9) Renewables 2022 Global Status Report. REN21, 2022.

(10) Klimaneutrales Stromsystem 2035. Wie der deutsche Stromsektor bis zum Jahr 2035 klimaneutral werden kann. Agora Energiewende, Juni 2022.